Nesbo, Jo - Harry Hole 05 by Das fuenfte Zeichen

Nesbo, Jo - Harry Hole 05 by Das fuenfte Zeichen

Autor:Das fuenfte Zeichen
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Sie goss ihm Kaffee ein. Er grunzte ein »Danke « und blätterte durch den englischen Observer. Wie üblich hatte er die Zeitung unten im Hotel an der Ecke gekauft. Zusammen mit frischen Croissants, die Hlinka, der Bäcker, nun auch zu backen pflegte.

Sie selbst war nie im Ausland gewesen, bloß einmal in der Slowakei, was nicht richtig Ausland war. Doch er hatte ihr versichert, dass die anderen Großstädte Europas nichts hätten, was Prag nicht auch hatte. Dabei hätte sie Lust gehabt zu reisen. Kurz bevor sie ihm begegnet war, hatte sich ein amerikanischer Geschäftsmann bei einem Besuch in Prag in sie verliebt. Sie war ihm von seinem Prager Geschäftspartner, einer Arzneimittelfi r ma, als Geschenk gekauft worden. Er war ein süßer, unschuldiger, etwas dicklicher Mann, und er wollte ihr alle Wünsche erfüllen, wenn sie nur mit ihm nach Los Angeles käme. Natü r lich hatte sie ja gesagt. Doc h a ls sie es Tomas erzählte, ihrem Zuhälter und Halbbruder, war der sofort zu dem Amerikaner ins Zimmer gestiefelt und hatte ihn mit einem Messer bedroht. Der Amerikaner war am nächsten Tag abgereist, und sie hatte ihn nie wiedergesehen.

Vier Tage später hatte sie im Grand Hotel Europa geknickt ihren Wein getrunken, da war er aufgetaucht. Er hatte auf einem Stuhl ganz hinten im Lokal gesessen und zugeschaut, wie sie aufdringliche Männer abservierte. Darauf sei er schon früher immer angesprungen, hatte er ihr erzählt. Nicht die Tatsache, dass sie so umschwärmt wurde, sondern ihre totale Gleichgültigkeit gegenüber all den Annäherungsversuchen, ihr unangestrengtes Desinteresse, ihre vollkommene Keuschheit. Er sagte, er sei einer der Männer, die so etwas zu schätzen wussten.

Sie hatte es zugelassen, dass er ihr ein Glas Wein spendierte, hatte sich bedankt und war allein nach Hause gegangen.

Tags darauf hatte er an der Tür ihrer winzigen Kellerwohnung in Strasnice geklingelt. Er hatte ihr niemals verraten, wie er herausgefunden hatte, wo sie wohnte. Doch ihr graues Leben war im Handumdrehen rosarot geworden. Sie war glücklich gewesen. Sie war glücklich.

Das Zeitungspapier knisterte, als er umblätterte.

Sie hätte es wissen müssen. Sie hätte nicht mit der Wimper zucken dürfen. Allein schon wegen der Pistole nicht.

Aber sie hatte sich entschlossen, sie zu vergessen. Alles andere zu vergessen. Nur das wirklich Wichtige nicht. Sie waren glücklich. Sie liebte ihn.

Sie saß auf dem Stuhl und hatte noch die Schürze um. Sie wusste, dass es ihm gefiel, wenn sie eine Schürze trug. Imme r hin hatte sie von etwas Ahnung, nämlich, wie Männer tickten. Wichtig war nur, es ihnen nicht zu zeigen. Sie blickte auf ihren Schoß –und musste unwillkürlich lächeln.

»Ich muss dir was erzählen«, sagte sie.

»Ja?« Die Zeitungsseite schlug wie ein flatterndes Segel.

»Versprich mir, nicht böse zu sein«, sagte sie und spürte, wie ihr Lächeln breiter wurde.

»Das kann ich dir nicht versprechen«, sagte er, ohne aufzubl i cken.

Ihr Lächeln erstarrte. »Was …«

»Ich denke, du willst mir sagen, dass du heute Nacht aufg e standen bist und meinen Koffer durchsucht hast.«

Erst jetzt bemerkte sie, dass sein Akzent anders war. Der Singsang darin war beinahe verschwunden. Er legte die Zeitung weg und sah sie direkt an.



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